Lukas Eggers
Biologische Wertigkeit: Wie beeinflusst sie den Muskelaufbau
- Juni 16, 2023
Ein effektiver Muskelaufbau erfordert nicht nur intensives Training, sondern auch eine ausgewogene Ernährung. Insbesondere der Konsum von Proteinen ist für den Aufbau von Muskelmasse von entscheidender Bedeutung. Dabei spielt nicht nur die Menge an Proteinen eine Rolle, sondern auch deren Qualität. Die biologische Wertigkeit ist ein Maß für die Qualität von Proteinen und hat einen großen Einfluss auf den Muskelaufbau.
In diesem Blogbeitrag werden wir uns genauer mit diesem Thema auseinandersetzen und erklären:
- Was bedeutet biologische Wertigkeit
- Wie wird biologische Wertigkeit gemessen
- Welche Auswirkungen hat sie auf den Muskelaufbau
- Welche Lebensmittel weisen eine hohe biologische Wertigkeit auf
Inhaltsverzeichnis
Was ist die biologische Wertigkeit
Die biologische Wertigkeit ist ein Maß dafür, wie gut ein Nahrungsprotein vom Körper aufgenommen und genutzt werden kann, um körpereigene Proteine zu bilden. Denn Proteine bzw. Aminosäuren werden für den Aufbau von Körperstrukturen und für die Funktionsfähigkeit von Boten- und Transportstoffen etc. benötigt. Sie gibt also an, wie viel vom aufgenommenen Protein tatsächlich für den Muskelaufbau genutzt werden kann. Die Skala reicht von 0 bis 100, wobei 100 die höchste Wertigkeit darstellt. Als Referenzprotein gilt das Hühnereiweiß.
Biologische Wertigkeit Tabelle
Vollei | 100 |
Kartoffel | 96 |
Rindfleisch | 87 |
Kuhmilch | 85 |
Sojamilch | 84 |
Reis | 82 |
Bohnen | 73 |
Mais | 72 |
Weizen | 59 |
Tab.: Biologische Wertigkeit ausgewählter Lebensmittel (Quelle: Biesalski et al. 2010)
Die biologische Wertigkeit hängt von der Menge und Zusammensetzung der Aminosäuren im Protein ab. Proteine, die alle essentiellen Aminosäuren in ausreichender Menge enthalten, haben eine höhere biologische Wertigkeit als Proteine, die nur wenige oder keine essentiellen Aminosäuren enthalten.
Wie wird die biologische Wertigkeit gemessen
Es gibt neben der biologischen Wertigkeit noch weitere Methoden, um die Qualität von Proteinen zu bewerten. Seit 1989 durch die FAO/WHO etabliert, ist der PDCAAS (protein digestibility corrected amino acid score) gebräuchlich. Die FAO empfiehlt jedoch aufgrund von Schwächen des PDCAAS aktuell die Verwendung des DIAAS (digestible indispensable amino acid score). Der Digestible Indispensable Amino Acid Score (DIAAS) bewertet die Proteinqualität von Lebensmitteln. Er betrachtet die Aminosäuren einzeln und berücksichtigt ihre tatsächliche Verdaulichkeit im Vergleich zu einem Referenzprotein. Der DIAAS-Wert wird in Prozent angegeben und zeigt an, wie gut der Körper die Aminosäuren nutzen kann. Im Gegensatz zur PDCAAS-Methode berücksichtigt der DIAAS die wahre, ileale Verdaulichkeit im Dünndarm.
Biologische Wertigkeit berechnen:
Biologische Wertigkeit = (aufgenommener Stickstoff – ausgeschiedener Stickstoff) / aufgenommener Stickstoff * 100
→ Wer mehr über die Berechnung wissen möchte, kann das hier tun.
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Wie beeinflusst die biologische Wertigkeit den Muskelaufbau
Exkurs: Muskelaufbau
Krafttraining hat ein einfaches Ziel: Muskelmasse und Kraft aufzubauen. Es geht darum, die Muskelproteinbiosynthese anzuregen, sodass der Muskelabbau über einen längeren Zeitraum hinweg kleiner ist als der Aufbau. Wie funktioniert das? Beim Krafttraining werden die Satellitenzellen aktiviert, die sich entlang der Muskelfasern befinden. Diese Zellen fusionieren mit den vorhandenen Muskelfasern und bewirken eine Vergrößerung und erhöhte Produktion der Muskelproteine Aktin und Myosin.
Kurz gesagt, Krafttraining ist eine effektive Methode, um die Muskelproteinbiosynthese anzukurbeln und Muskeln aufzubauen. Ein einzelnes Krafttraining kann die Proteinsynthese für 24-48 Stunden stimulieren. Allerdings besteht auch die Gefahr eines leichten Muskelabbaus, wenn auch in geringerem Maße als der Muskelzuwachs.
Um die Muskelproteineffekte optimal zu nutzen, ist eine positive Proteinbilanz erforderlich, bei der die Proteinsynthese die Proteinaufnahme übersteigt. Das bedeutet, dass die Proteinaufnahme ausreichend hoch sein sollte, um den Muskelaufbau zu fördern. Eine angemessene Ernährung spielt daher eine entscheidende Rolle.
Während der Erholungszeit nach dem Training ist die Einnahme von Kohlenhydraten und Proteinen besonders wichtig. Diese Nährstoffe fördern die Muskelproteinsynthese und hemmen den Muskelabbau. Dadurch entsteht eine positive Nettobilanz, die letztendlich zu einer Zunahme der Muskelmasse führt. Eine ausgewogene Zufuhr von Protein und Kohlenhydraten ist essentiell, um die Muskelproteinsynthese zu unterstützen und den Muskelaufbau optimal zu fördern.
Als Kraftsportler oder Gewichtheber wird eine Proteinzufuhr von 1,2-2,0 g Protein pro kg Körpergewicht pro Tag empfohlen. Eine neue Studie von Stark et al. (2012) deutet jedoch darauf hin, dass eine höhere Proteinzufuhr von bis zu 3,4 g Protein pro kg Körpergewicht pro Tag zusammen mit einem intensiven Trainingsprogramm positive Effekte auf die Körperzusammensetzung haben kann. Die Autoren empfehlen daher eine Mindestzufuhr von 2 g Protein pro kg Körpergewicht pro Tag für Kraftsportler.
Achtung: Du solltest wissen, dass eine Zufuhr von 20-25 g pro Mahlzeit vollständigen Proteins nach Belastung zu einer maximalen Proteinbiosynthese führt. Mehr Protein wird nur oxidiert (Pesta, 2017). Mehr hilft nicht mehr! Viel besser ist es den Körper über den Tag verteilt regelmäßig mit Proteinen zu versorgen.
Während Kohlenhydrate den muskelabbauenden Prozess durch die Insulinstimulation verringern können, sind Aminosäuren als Baustoffe der Hauptstimulus für die Muskelproteinsynthese. Eine ausreichende Zufuhr von Aminosäuren ist entscheidend, um die Muskelproteinsynthese zu fördern und den Muskelaufbau zu unterstützen. Daher ist die Ernährung neben dem Training eine wichtige Strategie, um Muskelwachstum und -funktion positiv zu beeinflussen.
Fazit: Um einen Muskel- oder Kraftzuwachs zu bekommen, braucht es hochwertige Aminosäuren, um diese in körpereigene Proteine umzuwandeln. Daher solltest du immer auf eine ausreichende Menge an Proteinen und Qualität achten. Eine höhere biologische Wertigkeit bedeutet auch einen besseren Muskelaufbau.
Welche Proteine im Allgemeinen eine bessere Proteinqualität, Verdaulichkeit und Aufnahme aufweisen, erfährst du im nächsten Abschnitt.
Welche Lebensmittel haben eine hohe biologische Wertigkeit
Tierische Proteine haben im Vergleich zu pflanzlichen Proteinen eine höhere biologische Wertigkeit, da sie alle essentiellen Aminosäuren enthalten, die der Körper nicht selbst produzieren kann. Allerdings können auch einige pflanzliche Proteinquellen eine hohe biologische Wertigkeit aufweisen.
Lebensmittelkategorien mit hoher Proteinqualität:
- Tierische Proteine (Fleisch, Fisch, Milch, Ei, ...)
- Pflanzliche Proteine wie Hülsenfrüchte (Sojabohnen, Erbsen, Linsen, ...)
- Getreideproteine (Weizen, Reis, Mais, …)
Um die Proteinqualität von Nahrungsmitteln zu steigern, ist es auch möglich, diese in Kombination mit anderen Lebensmitteln einzunehmen. Enthält ein Lebensmittel nämlich nicht alle Aminosäuren oder nicht in ausreichender Menge, können sich die Aminosäuren ergänzen. Es entsteht ein synergistischer Effekt, der die biologische Wertigkeit erhöht.
Biologische Wertigkeit Kombinationen Tabelle (Tierische Quellen)
Lebensmittel und Lebensmittelkombination |
Biologische Wertigkeit |
Vollei + Kartoffeln (36 % : 64 %) |
136 |
Milch + Weizenmehl (75 % : 25 %) |
125 |
Vollei + Soja (60 % : 40 %) |
124 |
Vollei + Milch (76 % : 24 %) |
119 |
Milch + Kartoffeln (51 % + 49 %) |
114 |
Tab.: Biologische Wertigkeit ausgewählter Lebensmittel Kombinationen (Quelle: Biesalski et al. 2010)
Empfehlung für Ernährung mit hoher biologischer Wertigkeit
Eine angemessene Menge an hochwertigem Protein in der täglichen Ernährung ist für Sportler von großer Bedeutung, da sie dabei hilft, den Muskelaufbau zu fördern und das Muskelgewebe nach dem Training zu reparieren. Wenn es um die Auswahl von proteinreichen Lebensmitteln mit hoher Qualität geht, sind tierische Quellen wie Fleisch, Fisch und Eier am besten geeignet. Pflanzliche Quellen wie Hülsenfrüchte und Tofu können ebenfalls eine gute Option sein.
Nach dem Training werden häufig auch hochwertige Aminosäuren aus Shakes oder Riegeln eingenommen. Das ist nicht nur effektiv, sondern schmeckt auch. Aber du solltest wissen, dass sich die Aminosäurespektren unterschiedlicher Lebensmittel im Laufe des Tages gegenseitig vervollständigen können. Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach: Die Aminosäuren aus dem Vollkornfrühstück können die Tofu-Gemüsepfanne am Abend ergänzen. Du musst also nicht alle essentiellen Aminosäuren während einer Mahlzeit aufnehmen.
Ist das Timing wichtig? – Grundsätzlich ist zu empfehlen in den ersten 30-60 Min. nach dem Training auf eine hochwertige Proteinzufuhr zu achten. Auch die Einahme vor dem Schlafengehen stellt eine effektive Ernährungsstrategie dar. Jedoch scheint noch nicht abschließend geklärt wann der optimale Zeitpunkt der Aufnahme ist und wie lange ein „Anaboles Fenster“ besteht.
Eine Meta-Analyse von Schoenfeld et al. (2013), welche die Bedeutung des Einnahmezeitpunkts in Abhängigkeit von Muskel- und Kraftzuwachs untersuchte, legt nahe, dass der unmittelbare Verzehr von Protein vor oder nach dem Training keine signifikanten Verbesserungen der Kraft oder hypertrophischen Anpassungen beim Krafttraining bewirkt. Die Autoren stellen auch fest, dass das „anabole Fenster“ auch länger als 1 Stunde vor und nach dem Training anhalten könnte.
Biologische Wertigkeit Kombinationen Tabelle (Pflanzliche Quellen)
Exzellente Kombinationen |
Beispiele |
Getreide + Hülsenfrüchte |
Reis und Bohnen, Bohnensuppe mit Gemüse und Vollkorncrackern, Tortillas mit Bohnen, Erdnussbutter-Sandwich |
Getreide oder Gemüse mit Milch- oder Soja-Akzent |
Gebackene Kartoffel mit Soja Sour Creme, Reis Pudding, Gemüsecremesuppe |
Hülsenfrüchte + Nüsse |
Bohnen und Nüsse, Hummus (aus Kichererbsen und Tahin), Linsen und Nuss “Fleisch” -bällchen |
Andere Kombinationen |
Mais und Tomaten, Paprika und Weizenkeime, Kokosnussfleisch und Äpfel, Sojaprotein-Isolat und Sesammehl, Sonnenblumenkernmehl oder Spirulina, Edamame und Orangensaft oder Medjoul Datteln |
Tab.: Mod. nach Woolf (2011)
Biologische Wertigkeit bei Supplements
Du solltest beachten, dass Proteinsupplemente in verschiedenen Formen wie Pulver, Riegel oder Flüssigkeiten erhältlich sind. Die Wahl des richtigen Produkts hängt von deinen individuellen Bedürfnissen, Vorlieben und Zielen ab. Es kann auch hilfreich sein, sich über die Herkunft und Qualität der verwendeten Proteinquellen zu informieren.
Zu den Qualitätskriterien gehören unter anderem der Proteingehalt pro Portion, die biologische Wertigkeit, die Verdaulichkeit und eventuelle Zusatzstoffe wie Süßstoffe oder künstliche Aromen.
Bei Proteinsupplements gibt es auch Unterschiede. So sind Molke-, Kasein- und Soja komplette Proteine. Molke und Soja werden schnell absorbiert, Kasein hingegen langsam.
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Zusammenfassung
- Die biologische Wertigkeit ist ein Maß dafür, wie gut ein Nahrungsprotein vom Körper aufgenommen und genutzt werden kann, um körpereigene Proteine zu bilden.
- Es gibt neben der biologischen Wertigkeit noch weitere Methoden, um die Qualität von Proteinen zu bewerten.
- Muskel- oder Kraftzuwachs braucht hochwertige Aminosäuren. Qualität und Menge ist entscheidend.
- Tierische Proteine haben im Vergleich zu pflanzlichen Proteinen eine höhere biologische Wertigkeit. Lebensmittelkombination auch pflanzlicher Lebensmittel können die biologische Wertigkeit erhöhen.
- Protein Shakes weisen eine hohe biologische Wertigkeit auf. Die Wahl hängt von deinen individuellen Bedürfnissen ab.
Quellen
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- Biolo, G., Fleming, R. D., & Wolfe, R. R. (1995). Physiologic hyperinsulinemia stimulates protein synthesis and enhances transport of selected amino acids in human skeletal muscle. The Journal of clinical investigation, 95(2), 811-819.
- Chesley, A., MacDougall, J. D., Tarnopolsky, M. A., Atkinson, S. A., & Smith, K. (1992). Changes in human muscle protein synthesis after resistance exercise. Journal of applied physiology, 73(4), 1383-1388.
- Leser, S. (2013). The 2013 FAO report on dietary protein quality evaluation in human nutrition: Recommendations and implications. Nutrition Bulletin, 38(4), 421-428.
- Marckmann, P., Osther, P., Pedersen, A. N., & Jespersen, B. (2015). High-protein diets and renal health. Journal of renal nutrition : the official journal of the Council on Renal Nutrition of the National Kidney Foundation, 25(1), 1–5. https://doi.org/10.1053/j.jrn.2014.06.002
- Pesta, D. (2017). Proteine und sportliche Leistungsfähigkeit. In M. Lamprecht, S. Holasek, M. Konrad, W. Seebauer & D. Hiller-Baumgartner (Hrsg.), Lehrbuch der Sporternährung. Das wissenschaftlich fundierte Kompendium zur Ernährung im Sport (S. 453-476). CLAX Fachverlag.
- Phillips, S. M., Tipton, K. D., Aarsland, A. S. L. E., Wolf, S. E., & Wolfe, R. R. (1997). Mixed muscle protein synthesis and breakdown after resistance exercise in humans. American journal of physiology-endocrinology and metabolism, 273(1), E99-E107.
- Schoenfeld, B. J., Aragon, A. A., & Krieger, J. W. (2013). The effect of protein timing on muscle strength and hypertrophy: a meta-analysis. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 10(1), 53.
- Stark, M., Lukaszuk, J., Prawitz, A., & Salacinski, A. (2012). Protein timing and its effects on muscular hypertrophy and strength in individuals engaged in weight-training. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 9(1), 1-8.
- Steinacker, J. M., Wang, L., Lormes, W., Reißnecker, S., & Liu, Y. (2002). Strukturanpassungen des Skelettmuskels auf Training. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 53(12), 354-360.
- Woolf, P. J., Fu, L. L., & Basu, A. (2011). vProtein: identifying optimal amino acid complements from plant-based foods. PLoS One, 6(4), e18836.